Majolika-Teller, Venus und Amor

Provenienz
Sammlung J.G.R. Strasburg;
Christie’s Mailand, 8 Juni 2004, Los 439;
Sotheby’s London, 3 Juli 2013, Los 3;
Sheikh Hamad bin Abdullah Al Thani, Paris, Hotel Lambert, bis 2022.

Literatur zum Vergleich
Timothy Wilson, Maiolica. Italien Renaissance Ceramics in the Metropolitan Museum of Art, Highlights of the Collection, with an Essay by Luke Syson, The Metropolitan Museum of Art, New York, 2016
Timothy Wilson, Italian Maiolica and Europe, Medieval, Renaissance, and later Italian pottery in the Ashmolean Museum, Oxford, with some examples illustrating the spread of tin-glazed pottery across Europe, Oxford, 2017.

Der Majolika-Teller mit ‚bianco sopra bianco’ Dekor imponiert durch seine Größe. Eine mythologische Darstellung mit Venus und dem kleinen Amor, der einen Bogen hält, ziert die Tellermitte. Den Tellerrand schmückt eine Ranke aus blauen Blättern und roten Beeren, die sich um ein dünnes blaues Band windet.

Als bianco sopra bianco’ (weiß auf weiß) wird eine Technik bezeichnet, bei dem über einer milchig-weißen Zinnglasur ein Dekor aus Blüten und Ranken in opakem, kühlem Weiß aufgetragen wird, so dass ein spitzenartiger Eindruck entsteht. Dieser Dekor ist seit den späten 1480er Jahren gebräuchlich. In diese Zeit wird auch ein Service datiert, das in Pesaro für Matthias Corvinus, den König von Ungarn seine Ehefrau Beatrice von Aragon angefertigt wurde. Ein Teller befindet sich im British Museum. (Vgl. Wilson 2016, S. 168 und Wilson 2017, S. 231).
In Urbino ist der „bianco sopra bianco“ Dekor seit den 1520er Jahren für Istoriato-Teller in Gebrauch und findet einen Höhepunkt in den 1540er Jahren.

Aus Obra de Malica...

...wurde „Maiolica“

Persische Töpfer entwickelten im 9. Jahrhundert eine Glasurtechnik, in der durch Beimischung von Zinnoxiden und weiteren Metallverbindungen sowie einer ausgeklügelten Brandtechnik ein glänzender Film auf der keramischen Oberfläche entstand. Dieses handwerklich hochkomplexe Verfahren gelangte bis ins Königreich Andalusien, wo Töpfer im 13. und 14. Jahrhundert einzigartig schimmernde Glasuren auf den Tonwaren hervorzauberten. Der sogenannte „Malaga Lüster“ war als Statussymbol hochgeschätzt und wurde von Südspanien aus über das Mittelmeer bis nach Nordeuropa exportiert. In Italien bezeichnete man die spanische Töpferware als „maiolica“. Die Herkunft des Wortes kommt wohl daher, dass man die spanische Bezeichnung für Lüsterkeramik, „obra de malica“ (Malaga-Ware), fälschlicherweise mit Mallorca in Verbindung brachte und glaubte, die Keramik sei dort hergestellt worden. „Majolika“ wurde zum allgemeinen Begriff für zinnglasierte Keramik.

Malaga, Kathedrale. Wikipedia, gemeinfrei

Eine illustre Provenienz

Das Hotel Lambert in Paris

Der schöne Teller hat eine illustre Provenienz; sein letzter Besitzer war Sheikh Abdullah Bin Khalifa, ehemaliger Premierminister von Qatar. Womöglich noch prominenter ist der Ort, an dem die kleine Lüsterkeramik jahrelang aufbewahrt wurde: das Stadtpalais „Hotel Lambert“ auf der Ile Saint-Louis in Paris, erbaut zwischen den Jahren 1640 und 1644 durch den berühmten Architekten Louis Le Vau (1612-1679). Die Liste seiner Bewohner ist eindrucksvoll: Nach der Familie Lambert lebten dort u.a. Jean-Pierre Bachasson de Montalivet – der Innenminister Napoleons –, die polnische Adelsfamilie Czartoryski, Baron Guy de Rothschild und schließlich der Emir von Qatar. Nach einer Restaurierung für rund 130 Millionen Dollar verkaufte Sheikh Abdullah 2022 das Hotel Lambert für ca. 200 Millionen Euro an den französischen Unternehmer Xavier Niel. Die im Hotel aufbewahrte Kunstsammlung, darunter unser Teller, wurden versteigert.

Hotel Lambert, Paris. Wikipedia, gemeinfrei

Omnia vincit amor

Ein beliebtes Motiv

Den Teller ziert eine Darstellung von Venus, Göttin der Liebe, und ihres Sohnes, Amor, der mit seinen Pfeilen ins Herz der Menschen zielt und so die Liebe erweckt. Keiner vermag ihm zu widerstehen. So heißt es auch „Omnia vincit amor“ (die Liebe besiegt alles). Die schöne Venus und ihr Sohn in Figur eines halbwüchsigen Knaben gehören zu den beliebten Sujets der Kunstgeschichte. Sicher nicht zuletzt, da die Göttin als junge, meist unbekleidete Frau dargestellt wird und dem heiteren Götterkind Ernsthaftigkeit und Dramatik der Liebe stets fern sind.

Sir Franck Dicksee, Romeo and Juliet. Wikipedia, gemeinfrei

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