Geboren bei Arezzo, Italien, seit 1512 in Venice aktiv, gestorben nach 1553, zugeschrieben
Idealisiertes Portrait einer Frau
Relief, weißer Marmor
Höhe: 30 cm, Breite: 23,5 cm, Tiefe: 8,5 cm
Provenienz:
Charles Beddington, London, 2014,
Privatsammlung, England.
Das Marmorrelief zeigt einen eleganten Frauenkopf in strengem Profil. Die klassische Profilansicht, ein antikes Motiv, wurde in der Renaissance zunächst in der Münz – und Medaillentechnik wieder aufgenommen, dann aber auch im Steinrelief als bewusstes Zitat in Bezug zur Antike gesetzt. Das ebenmäßige Gesicht – geschlossene Lippen, gerade Nase, ruhiger Blick – wird von einer ungewöhnlich aufwendig gestalteten Frisur gerahmt: Ein fein geflochtener Zopf, an der Stirn zu einer Haar–Schleife zusammengebunden, liegt wie ein Kranz auf dem glatt gekämmten Haar. Von der Schläfe aus fallen dicke Strähnen auf den Nacken, manche sind locker nach innen gedreht, was sehr sinnlich wirkt. Ein schmales Band gibt der Frisur zusätzlichen Halt. Die kunstvoll drapierte Haartracht verleiht dem Frauenbild eine zeitgenössische Anmutung. Das über die Schultern gelegte Gewand wiederum ahmt antike griechische bzw. römische Vorbilder nach.
Das nicht signierte Relief ist stilistisch der venezianischen Kunst um 1520/30 zuzuordnen. Das Profilbildnis im Relief ist seit dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts in ganz Italien ein beliebtes Format. In Venedig entwickelt sich Anfang des 16. Jahrhunderts, vorbereitet durch die Kunst Pietro und Tullio Lombardos, jedoch ein ganz besonders von der Antike geprägter Stil. Die stark antikisierenden, klassischen Gesichtszüge und insbesondere die detailliert ausgeführte Frisur führt in zu dem Bildhauer Simone Bianco.
Simone Bianco stammt aus der Provinz Arezzo. Geburtsort und Jahr sind nicht bekannt. Erstmals urkundlich erwähnt wird Bianco 1512 in Venedig. In der Nachfolge von Tullio und Antonio Lombardo war er bis um 1530 maßgeblich prägend für die Entwicklung der venezianischen Portraitkulptur im privaten Rahmen. Im Gegensatz zu Florenz konzentriert sich die Portraitskulptur in Venedig im 15. Jahrhundert auf den öffentlichen Raum. Erst allmählich beauftragen im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts wohlhabende Bürger der Lagunenstadt Bildhauer, Kopien nach der Antike oder antikisierende Portraits mit zunehmend individuellem Charakter für den privaten Gebrauch anzufertigen.
Simone Bianco, dessen Œuvre die Forschung in den letzten Jahren besser fassen konnte, scheint bei dieser Entwicklung die treibende Kraft gewesen zu sein. Bereits der berühmte Dichter und Zeitgenosse Pietro Aretino, lobt Biancos Werke mit Berufung auf Tizian. Er berichtet u.a. auch, dass drei Büsten an den Französischen König geschickt wurden und dass Bianco ‚a decent person, good sculptor and great friend“ sei. Der Künstler der fein ausgearbeiteten Skulpturen geriet offensichtlich zu unrecht in Vergessenheit: Die oft nicht signierten Arbeiten konnten in Unkenntnis Biancos künstlerischen Vermächtnisses, das oft nur in Quellen erwähnt wird, nicht zugeordnet werden und schlummerten häufig unentdeckt als “Antiken” in den Depots der Antikenabteilungen vor sich hin.